Academy of Thoughts
26 / 11 / 17
„Sollte sich herausstellen, dass Erkennen und Denken nichts mehr miteinander zu tun haben, dass wir erheblich mehr erkennen und daher auch herstellen können, als wir denkend zu verstehen vermögen, so würden wir wirklich uns selbst gleichsam in die Falle gegangen sein, bzw. die Sklaven – zwar nicht, wie man gemeinhin glaubt, unserer Maschinen, aber – unseres eigenen Erkenntnisvermögens geworden sein, von allem Geist und allen guten Geistern verlassene Kreaturen, die sich hilflos jedem Apparat ausgeliefert sehen, den sie überhaupt nur herstellen können, ganz gleich wie verrückt oder wie mörderisch er sich auswirken möge." (Hannah Arendt, 1958)
Inspiriert von Hannah Arendts Ausführungen zu Vita activa oder Vom tätigen Leben aus dem Jahre 1958 und beeindruckt von dessen Relevanz sechzig Jahre nach dessen Erscheinung sitzen wir an einer aufgelassenen Tankstelle und denken über das Tätigsein nach. Wir befinden uns an der Akademie der Gedanken, die vor allem ein Ziel hat: ein kritisches Denken in das Zentrum des Raumes zu setzen. Einen Raum zu schaffen, der Platz für Gedanken und ihre möglichen Ausformungen bietet. Ein Handlungsraum, der in Anlehnung an Hannah Arendts Aufruf zum öffentlichen Handeln einen Raum des Sozialen und des Politischen eröffnet und der sich im Diskurs formt.
Schlicht: denn der Diskus fehlt. In Zeiten von Künstlicher Intelligenz und Deep Learning, von Social Media und von Firmen gekauften Öffentlichkeiten, Bologna Reform und an Wissensmaximierung orientierten Bildungsangeboten, stellen wir jene Fragen: Welchen Platz und Stellenwert hat kritische Kompetenz und dessen Entwicklung? Wo sind die Orte, an denen nicht nur Wissen vermittelt wird, sondern auch eingehend und disziplinübergreifend reflektiert und weitergedacht werden kann? Sind wir nicht mit der Situation konfrontiert, dass konstruierte Erkenntnisse uns vorgaukeln, dass sie aus der Leistung unseres Denkens entspringen? Und würde das nicht heißen, dass wir – in den Worten Arendts – uns bereits in der Situation als Sklave unseres eigenen Erkenntnisvermögens befinden, oder - noch schlimmer - der ausgelagerten Erkenntnisse anderer ohne Fluchtmöglichkeit, ohne Werkzeuge oder entsprechender Ausstattung zum Ausbrechen ausgesetzt zu sein? Wo sind die Freiräume des Denkens, wenn Schulen und Universitäten händeringend kämpfen, überhaupt Wissen vermitteln zu können und das politische Rahmenwerk in Selfie-Manier an oberflächlichen Inszenierungen im Hier und Jetzt fokussiert, anstatt mit einem kritischem Fernrohr versucht der Zukunft ins Auge zu blicken?
Die Academy of Thoughts denkt in ihrer ersten Season ausgehend vom Phänomen SPUTNIK weiter. Wir verlassen unseren Planeten und reflektieren kritisch mit allen Beteiligten die hoffnungsüberladene Eroberung ungeahnter Räume. SPUTNIK, der erste Satellit, der erfolgreich am 4. Oktober 1957 vom russischen Militär ins Weltall geschickt und der laut Arendt damals kaum bejubelt wurde, veränderte einiges: Überwachungswahnsinn oder neue Bilder und (Ein-) Sichten in unserer Welt? Die Erweiterung unserer Körper? Die Auslagerung unserer Sensorik und „Objektivierung“ unserer Welt, sowie aber auch die Gründung der NASA und damit das Wettrüsten im All. Heute, 60 Jahre nach SPUTNIK und beinahe 50 Jahre nach den ersten menschlichen Schritten am Mond, ist es Zeit den Blick zurück auf den blauen Planeten zu richten und auf die radikale Ausweitung des Raums seit Sputnik gemeinsam zu überdenken. Viel lastet heute auf den Schultern des mit 58cm Durchmessern großen Satelliten. Gemeinsam versuchen wir seine Relevanz zu verstehen.
(Text von: Manuela Naveau, Genoveva Rückert)